Werte

Datum: 15.12.2023

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In Kürze: Wenn gesellschaftliche Debatten zu Spaltungen führen, spielen Werte eine zentrale Rolle. Denn eine intensive Auseinandersetzung mit Werten kann Brücken zwischen verschiedenen Meinungen bauen. Unser Denken und Handeln ist von unseren Werten geprägt. Oft stehen Menschen vor einem Wertedilemma, also der Herausforderung, zwischen konkurrierenden Werten abzuwägen. Um andere Menschen besser zu verstehen, kann es hilfreich sein, sich den eigenen Werten bewusst zu werden und Gespräche mit anderen über Werte und Vorbilder zu führen.

Wenn Themendebatten spalten, können Werte weiterhelfen

Mit Andersdenkenden über Flüchtlingspolitik oder Coronamaßnahmen zu diskutieren, kann sehr anstrengend sein. Schnell landet das Gespräch an einem Punkt, an dem es entweder eskaliert oder beendet wird – zu verhärtet sind die Meinungsfronten. Aus diesen Gründen sind in den vergangenen Jahren einige Freundschaften zerbrochen, manchmal haben sich ganze Familien entzweit. Auch auf der gesellschaftlichen Ebene ist eine Entwicklung zu beobachten, in der nur noch wenig über eigene Milieus hinweg miteinander gesprochen wird. Bei Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. denken wir, dass gegen diese „aggressive Sprachlosigkeit“ etwas unternommen werden sollte. Ein guter Ansatz dafür ist – so finden wir – sich mehr mit Werten zu beschäftigen und über sie zu reden.

Werte prägen das Verhalten

Niemand handelt und denkt einfach aus Zufall so, wie er oder sie es tut. Das Handeln und Denken werden durch die Werte, die uns wichtig sind, maßgeblich beeinflusst. Welche Werte ich vertrete, hängt von meinem bisherigen Lebensweg, den Bedingungen meiner sozialen Herkunft, den mir vermittelten politischen und religiös-weltanschaulichen Prägungen, aber auch von meinen eigenen Bedürfnissen und Entscheidungen ab.

Dabei ist nie nur ein Wert wichtig, es stehen immer mehrere im Raum, die zudem oft in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen. Ein Beispiel dafür sind die beiden Werte Sparsamkeit und Großzügigkeit. Als Mensch muss ich mich entscheiden, welcher Wert mir wichtiger ist, denn beides ist ja an sich gut. Wenn ich meine Sparsamkeit aber übertreibe, werde ich geizig, und wenn ich meine Großzügigkeit übertreibe, werde ich verschwenderisch. Die Frage, was mir wichtiger ist, kann sich im Laufe des Lebens auch verändern.

Das Werte- und Entwicklungsquadrat

Manchmal führen Situationen auch in ein Wertedilemma. Zum Beispiel, wenn ich jemandem finanziell helfen möchte, selbst aber gerade für eine größere Anschaffung spare. Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun veranschaulicht solche Spannungsverhältnisse in „Werte- und Entwicklungsquadraten“, nach Modellen, die von Nicolai Hartmann und Paul Helwig entwickelt wurden.

Ein Beispiel auf politischer Ebene für ein Wertedilemma ergibt sich aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Hier stand die deutsche Regierung vor der Frage: Ist es wichtiger, schnell und entschieden zu handeln, oder erst einmal besonnen die Situation abwägen? Im ersten Fall entsteht die Gefahr, zu reflexhaft zu handeln und folgenreiche Fehler zu machen. Im zweiten Fall könnte ein zu langes Zögern ein Scheitern verursachen/begünstigen. Beide Entscheidungsvarianten enthalten also auch Nachteile. Sich solche Wertedilemmata bewusst zu machen, kann dabei helfen, mehr Verständnis für die schwierigen Entscheidungen auf der politischen Ebene aufzubringen.

Über eigene Werte nachdenken

Auch auf der persönlichen Ebene kann das Nachdenken über die eigenen Werte und sich eventuell daraus ergebende Dilemmata hilfreich sein, um das eigene aber auch das Handeln anderer besser zu verstehen. Mir meine eigenen Werte und Dilemmata bewusstzumachen, hilft zu erkennen, dass nicht alle Menschen genauso denken müssen wie ich selbst. Darüber hinaus kann ich nicht davon ausgehen, dass Anderen die gleichen Werte am wichtigsten sind wie mir selbst. Wenn ich mich damit beschäftige, welche Werte mir besonders wichtig sind und welche Erfahrungen und Bedürfnisse dahinterstehen, kann ich auch anerkennen, dass andere Menschen, andere Werte bevorzugen und entsprechend andere Erfahrungen und Bedürfnisse haben und sich deshalb auch anders positionieren.

Verschiedene Wertemilieus

Die Bertelsmann Stiftung hat zum Beispiel untersucht, inwiefern unterschiedliche Werteeinstellungen die eigene Haltung gegenüber den Corona-Maßnahmen beeinflusst. Ergebnis der Bertelsmann-Studie war, dass es sieben verschiedene Wertemilieus gibt, die alle einen ganz unterschiedlichen Blick auf den Umgang mit der Pandemie hatten.

Alle Perspektiven sind berechtigt. Und alle haben Nachteile. Die Erkenntnis, dass meine eigene Entscheidung in Wertedilemmafragen auch schlechte Nebenwirkungen haben kann, verdeutlicht mir, dass andere Perspektiven auch zählen. So hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eingestanden, dass die Schulschließungen während der Corona-Zeit, die vor Ansteckungen schützen sollten, erhebliche langfristige Nachteile für die betroffenen Schülerinnen und Schüler hatten. Diese leiden mehr unter psychischen Erkrankungen als früher und haben noch immer große Mühe, den verpassten Lernstoff aufzuholen.

Über Werte reden

Sich über Werte auszutauschen kann sowohl helfen, dass ich mein Gegenüber besser verstehe, als auch, dass mein Gegenüber mich besser versteht. Vielleicht gibt es sogar unerwartete Gemeinsamkeiten und es öffnen sich dadurch neue Türen? Wenn ich aus meiner Wertehaltung und meinen Erfahrungen heraus erkläre, warum es mir beispielsweise wichtig ist, geflüchtete Menschen aufzunehmen, kann mein Gegenüber das besser nachvollziehen, als wenn ich nur politische Argumente aufzähle.

Über Vorbilder reden

Noch besser funktioniert es, wenn ich mich über Vorbilder austausche. Welche Menschen in Gegenwart oder Geschichte beeindrucken mich, und welche Werte haben sie geleitet? Welche Vorbilder hat mein Gegenüber? Kann ich die Begründung dafür verstehen?
Natürlich kann man auch über den Stellenwert unterschiedlicher Werte streiten, und das darf und soll auch passieren. „Die Welt ist voller Dilemmata“, sagt Friedemann Schulz von Thun. Dann stehen meist Wertekonflikte im Hintergrund. Habe ich mich meiner eigenen Werte versichert und mir Gedanken darüber gemacht, ob diese sich von der Wertehaltung meines Gegenübers unterscheiden könnten, ist es viel leichter, für die eigenen Werte einzustehen und gleichzeitig andere zu respektieren. Am Ende geht es darum zu sehen, ob ein Weg gefunden werden kann, den beide mittragen können. Den Weg gibt es nicht immer, aber vielleicht eine Gesprächsgrundlage, an die später noch einmal angeknüpft werden kann.