„Positionierte Mediation“

Autor:In: Anastasia Gorokhova

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In Kürze: Konflikte gehören zum Leben dazu – in Familien, Organisationen, in der Politik und Gesellschaft. Sie sind anstrengend und eigentlich haben wir meistens gar keine Lust drauf. Dabei sind Konflikte auch immer eine Chance auf Entwicklung, wenn man sich damit auseinandersetzt. Klassische Mediation verspricht dabei Unterstützung: vermittelt als neutraler Beobachter zwischen streitenden Parteien, baut Brücken, ermöglicht einen Dialog auf Augenhöhe. Doch was, wenn Konflikte in tief gesellschaftliche Machtverhältnisse eingebetet sind und Rassismus, Sexismus oder andere Diskriminierungserfahrungen den Konflikt prägen? Reicht Neutralität dann wirklich aus?

Genau an diesem Punkt setzt das Konzept der „positionierten Mediation“ an, entwickelt von der politischen Bildungsreferentin und Mediatorin Chima Ugwuoke. Ihr Ansatz geht davon aus, dass klassische Mediation oft zu kurz greift. Die klassische Herangehensweise übersieht laut der Expertin die ungleichen Voraussetzungen, mit denen Menschen in Konflikte hineingehen. Wer gesellschaftlich privilegiert ist, hat nicht dieselben Möglichkeiten, sich zu behaupten wie jemand, der strukturelle Diskriminierung erlebt. Wenn Mediator:innen in solchen Fällen einfach „neutral“ bleiben, riskieren sie, bestehende Ungleichheiten zu verstärken, statt sie auszugleichen.

Ugwuoke plädiert deshalb für eine radikale Allparteilichkeit. Das bedeutet: Mediator:innen sollen zwar allen Beteiligten zuhören und gerecht werden – gleichzeitig aber klar Position beziehen, wenn diskriminierende Strukturen im Raum stehen. Allparteilichkeit heißt hier nicht Gleichgültigkeit, sondern eher Haltung, die Betroffene ernst nimmt und Ungerechtigkeit benennt. Im Mittelpunkt steht dabei die Betroffenheitszentrierung: Dabei werden die Stimmen von Menschen, die Diskriminierung erfahren, nicht relativiert, sondern bewusst in den Vordergrund gerückt.

Dieser Ansatz verlangt von Mediator:innen eine hohe Sensibilität und Selbstreflexion. Sie müssen ihre eigene Position in gesellschaftlichen Machtverhältnissen kennen, ihre Privilegien reflektieren und mögliche blinde Flecken kritisch hinterfragen. Ugwuoke beschreibt dabei auch die Spannungsfelder, die in der Praxis entstehen: Wie gelingt es, allen Seiten gerecht zu werden und gleichzeitig Betroffene zu schützen? Wie geht man mit der Spannung zwischen dem Anspruch auf Neutralität und der Notwendigkeit klarer Haltung um? Solche Dilemmata lassen sich nicht immer eindeutig auflösen – doch sie sind Teil einer professionellen, machtkritischen Mediation.

Die „Positionierte Mediation“ erweitert so den Blick: Sei versteht Konflikte nicht nur als persönliche Differenzen, sondern auch als Spiegel gesellschaftlicher Macht – und Ungleichheitsverhältnisse. Damit verbindet sie Konfliktbearbeitung mit einem politischen Anspruch: Mediation wird zu einem Instrument, das nicht nur Frieden im Kleinen stiften soll, sondern auch zur Förderung von Gerechtigkeit beiträgt.

Für eine Gesellschaft, die vielfältiger und diverser wird, ist dieser Ansatz von besonderer Bedeutung. Denn er zeigt: Dialog ohne Blick auf Macht funktioniert nicht. Wer Konflikte bearbeiten will, darf Diskriminierung nicht ausklammern. Postionierte Mediation macht Mut, Konflikte nicht nur zu befrieden, sondern sie so zu gestalten, dass am Ende mehr Gleichberechtigung möglich wird. 

Literatur