In Kürze: Sowohl jüdische als auch muslimische Menschen sind von Hass und Hetze innerhalb der Gesellschaft betroffen, dennoch werden sie als gegensätzliche Gruppen dargestellt. Jüdisch-muslimische Allianzen sind eine Möglichkeit Vorurteile zu überwinden, gemeinsam gegen Diskriminierung vorzugehen und interkulturelles Verständnis fördern.
Warum braucht es einen jüdisch-muslimischen Dialog und Allianzen?
Als Referentin für politische Bildung beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema jüdisch-muslimische Allianzen, insbesondere im deutschen Kontext. Diese Thematik ist von großen Kontroversen geprägt, da sowohl Juden und Jüdinnen als auch Muslime und Musliminnen häufig als Feindbilder konstruiert werden. Trotz der Tatsache, dass beide Gruppen in Deutschland regelmäßig Diskriminierung in Form von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus erfahren, erscheint eine Allianz zwischen ihnen immer noch überraschend oder sogar befremdlich. Dies wirft eine wichtige Frage auf: Warum ist das so?
Antisemitismus vs. antimuslimischer Rassismus?
Halle und Hanau sind wohl die bekanntesten Fälle von Rechtsterrorismus der letzten Jahre. In beiden Fällen richteten sich die Anschläge gegen marginalisierte Gruppen, die aufgrund ihres Aussehens, ihres Namens, ihrer zugeschriebenen Herkunft oder ihrer (vermeintlichen) Religion zu Opfern wurden. Insbesondere Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus haben mit diesen Anschlägen einen neuen Höhepunkt erreicht und sind damit verstärkt in den Fokus der medialen Berichterstattung gerückt. Doch lassen sich daraus Parallelen zwischen antisemitischen und antimuslimischen Einstellungen ableiten? Diese Frage kann nicht ohne eine politische Einordnung beantwortet werden.
Oftmals wird Antisemitismus im politischen und medialen Diskurs Muslimen und Musliminnen zugeschrieben. Seit dem 7. Oktober ist auch wieder vermehrt vom sogenannten „islamischen Antisemitismus“ die Rede. Dieser Begriff verstärkt den Eindruck, es gäbe einen linearen Zusammenhang zwischen Islam und Antisemitismus. Zudem ist der Vergleich zwischen Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus insofern umstritten, als er Gefahr laufen könnte, die beiden -ismen zu hierarchisieren. Ziel der jüdisch-muslimischen Bündnisse ist jedoch nicht die Hierarchisierung, sondern die Verknüpfung von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus, um strukturelle Benachteiligungen aufzudecken.
Chancen von jüdisch-muslimischen Allianzen
Obwohl Juden und Jüdinnen und Muslime und Musliminnen oft als gegensätzliche Gruppen dargestellt werden, bieten jüdisch-muslimische Allianzen eine Vielzahl von Chancen und Möglichkeiten. Durch gemeinsame Anstrengungen können sie nicht nur Vorurteile und Stereotype überwinden, sondern auch eine starke Front gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus bilden.
Durch den Austausch von Erfahrungen und Perspektiven können sie ein tieferes Verständnis füreinander entwickeln und gemeinsame Strategien zur Bekämpfung von Vorurteilen und Diskriminierung erarbeiten. Die Zusammenarbeit zwischen jüdischen und muslimischen Menschen kann dazu beitragen, das Bewusstsein für gemeinsame Werte und Interessen zu stärken und eine integrative Gesellschaft zu fördern, in der Vielfalt und Toleranz geschätzt werden.
Letztendlich bieten jüdisch-muslimische Allianzen die Möglichkeit, Brücken zu bauen und eine gemeinsame Vision für eine gerechtere und friedlichere Zukunft zu verwirklichen. Durch solidarische Zusammenarbeit können sie nicht nur ihre eigenen Gemeinschaften stärken, sondern auch einen positiven Beitrag für die gesamte Gesellschaft leisten.
Gemeinsame Lösungen für aktuelle Herausforderungen
Ein weiterer wesentlicher Aspekt jüdisch-muslimischer Allianzen ist ihre Fähigkeit, gemeinsame Lösungsansätze für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Sowohl Juden und Jüdinnen als auch Muslime und Musliminnen sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert, die religiöse und kulturelle Grenzen überschreiten. Indem sie sich zusammenschließen, können sie ihre Ressourcen und Kompetenzen bündeln, um gemeinsame Lösungen zu entwickeln.
Ein Beispiel dafür ist der Kampf gegen Hassreden und Hass im Internet. Beide Gruppen sind häufig Ziel von Hasskommentaren und Hetze im Internet. Gemeinsam können sie sich für strengere Gesetze und Maßnahmen einsetzen, um Online-Hass zu bekämpfen und die Sicherheit ihrer Gemeinschaften zu gewährleisten.
Jüdisch-Muslimische Allianzen können auch eine wichtige Rolle bei der Förderung von Bildung und interkulturellem Verständnis spielen. Durch die Initiierung gemeinsamer Bildungsprojekte und die Förderung des interreligiösen Dialogs können sie dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Dies ist angesichts der zunehmenden Polarisierung, der Spaltung in der Gesellschaft und internationaler Krisen von besonderer Bedeutung.
Ein weiteres wichtiges Thema, das von jüdisch-muslimischen Allianzen aufgegriffen werden kann, ist die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten. Indem sie sich gemeinsam für die Rechte von Minderheiten und marginalisierten Gruppen einsetzen, können sie eine starke Stimme gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit sein und sich für eine inklusive Gesellschaft einsetzen, in der alle Menschen gleichberechtigt sind.
Jüdisch-muslimischer Dialog und Allianzen sind unerlässlich, um gemeinsam gegen Vorurteile und Diskriminierung vorzugehen. Beide Gemeinschaften teilen die Erfahrung, häufig Opfer von Hass und Marginalisierung zu sein, und ein Bündnis kann ihnen helfen, ihre Kräfte zu bündeln und gesellschaftliche Herausforderungen effektiver anzugehen. Der Austausch fördert nicht nur ein besseres gegenseitiges Verständnis, sondern trägt auch zur Schaffung einer integrativen Gesellschaft bei, in der Vielfalt und Respekt im Mittelpunkt stehen. Letztlich bieten solche Allianzen die Möglichkeit, Brücken zu bauen und gemeinsam für eine gerechtere und tolerantere Zukunft einzutreten.
Autorin
Meis Alkhafaji
Meis Alkhafaji arbeitet seit 2019 als freiberufliche Trainerin zu den Themen antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus und Intersektionalität. Sie studierte Politikwissenschaft, Islamische Religionsstudien und Internationale Politik an den Universitäten Erlangen und London. Als engagierte Trainerin setzt sie sich leidenschaftlich für eine vielfältige und inklusive Gesellschaft ein.