Cancel Culture

„Cancel Culture“ ist ein komplexes und vielschichtiges Phänomen, das sich einer einfachen Definition entzieht. Im Kern stehen sich zwei unvereinbare Deutungen gegenüber: Einerseits wird es als legitimes Werkzeug für Gerechtigkeit und Rechenschaft („Accountability“) verstanden, mit dem marginalisierte Gruppen die Machttragenden zur Verantwortung ziehen können. Andererseits wird es als eine Form unkontrollierbarer digitaler Selbstjustiz kritisiert, deren oft unverhältnismäßige Folgen durch die Mechanismen sozialer Medien – wie beispielsweise algorithmischer Verstärkung von Empörung und globaler Reichweite – beschleunigt werden. Über Einzelfälle hinaus dient die Debatte auch als politisches Instrument in Kulturkämpfen, um die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, und wirft die kritische Frage auf, ob die mediale Fokussierung auf Online-Fälle nicht von grundlegenderen Gefahren für die Meinungsfreiheit ablenkt. Letztlich ist „Cancel Culture“ ein Kampfbegriff, der weniger eine klare Antwort bietet, als vielmehr die tiefen Gräben und ungelösten Konflikte unserer digitalen Öffentlichkeit offenbart.

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Literatur

  • Daub, Adrian (2021): Cancel Culture und der Transfer aus den USA. Interview auf Deutschlandfunkkultur vom 27.05.2021 Online unter: Adrian Daub: „Cancel Culture Transfer“ – Viel Lärm um nichts (18.08.2025).
  • Jaafar, Graciela Bianca/Herna (2023): The Impact of Media in Cancel Culture Phenomenon. In: Jurnal Komunikasi Ikatan Sarjana Komunikasi Indonesia, Vol. 8, Nr. 2, S. 382-390.
  • Simons, Greg (2021): Role of Social Media in Amplifying Neo-Liberal Cancel Culture. In: Turkish Policy Quarterly, Vol. 20, Nr. 3, S. 71-79.
  • Waani, Maxin Sydney/Wempi, J. A. (2021): Cancel Culture as a New Social Movement. In: American Journal of Humanities and Social Sciences Research (AJHSSR), Vol. 5, Nr. 7, S. 266-270.